Süffig, sublim, selbstverständlich: Auf diesen Nenner könnte man die Musik Klaus Gesings bringen.
Eine Musik, die sich bei aller Virtuosität durch eine Aura kammermusikalischer Transparenz auszeichnet, durch kontinuierliche, nuancenreiche Fließbewegung, formsichere organische Bögen. Die nicht die Weiten des Experiments, sondern die Tiefen emotionalen Ausdrucks erkundet, lyrische Grundhaltung und expressive Intensität miteinander versöhnt und in hörenswerter Weise in einen ästhetisierenden klanglichen Kontext stellt.
Es ist die spannungsvolle Ambivalenz zwischen eingängigem akustischem Erscheinungsbild und gefinkeltem kompositorischem Konzept, die die Arbeit des seit 1995 in Österreich ansässigen Aerofonisten auszeichnet. Sie prägt sowohl seine kompositorische Arbeit für die Jazz Big Band Graz als auch die bis dato wohl relevantesten Resultate unter eigenem Namen - das brillante, 2002 live aufgenommene Duo-Album „Play Songs“ (ATS Records) mit dem Udineser Pianisten Glauco Venier sowie das Trio-Opus „Chamber Music“ (Universal Music) von 2003 mit Venier und der britischen Vokalistinnen-Magnifizenz Norma Winstone („Azimuth“).
Noch charakteristischer scheint diese Kunst des „komplexen Kinderlieds“ für das neue, 2004 inaugurierte Quartett „Heartluggage“. Gerade die Musik dieses Ensembles lebt vom inneren Kontrast von strukturell-technischem Hürdenreichtum und dessen scheinbar müheloser Umsetzung.
„Ich habe viel Volksmusik gehört.
Volksmusik hat für mich mit Heimat zu tun.
Vielleicht ist meine Sehnsucht danach vor dem Hintergrund zu sehen, dass ich aus Deutschland stamme, viele Jahre in Holland verbracht habe, jetzt in Österreich lebe, aber auch viel in Italien unterwegs bin. Meine Musik ist auch ein Spiegel meiner eigenen Zerrissenheit, weil ich manchmal nicht mehr weiß, wo ich mich zuhause fühlen soll. Und dann muss man darauf zurückgreifen, sich bei sich selbst zuhause zu fühlen, anstatt an einem topografisch benennbaren Ort.“
Klaus Gesing verleibt die Bestandteile seiner musikalischen Sozialisation der eigenen Ausdruckswelt ein, um daraus im Grunde nichts anderes als - Klaus-Gesing-Musik zu destillieren.
Wie er mit John Coltranes „Giant Steps“ verfährt, wie er die Melodie in der balladesken Einleitung andeutet, ihr eigene Harmonien unterlegt und darüber zu einem gänzlich anderen Höhepunkt kommt als es das Original vorgibt, kann als Lehrbeispiel dafür gelten, dass im Jazz derjenige zu eigener Stimme findet, der nicht die Ausdrucksbedürfnisse der Form, sondern die Form seinen Ausdrucksbedürfnissen anpasst. Der Bandname „Heartluggage“ darf also in mehrfacher Hinsicht als eine Sache von Herzensangelegenheiten gelesen werden: Klaus Gesing hat als musikalischer Europäer, der er zweifellos ist, in sich selbst sein Zentrum, seine Heimat gefunden.
© Andreas Felber