Welchen Grund gibt es, sich im 3 Jahrtausend unserer Zeitrechnung mit Liedern des Great American Songbook auseinander zu setzen?
Gibt es nicht schon genug Aufnahmen dieser Lieder, eingespielt von den Großen des Jazz, Meilensteine in der Entwicklung dieser Musikform, ehrfurchtgebietende Zeugnisse überragender Musikalität, als dass man sich der Gefahr aussetzen sollte daran gemessen zu werden?
- und, was das betrifft, genug Standard-Aufnahmen späterer Generationen von Musikern, die genau deswegen weil sie versuchen einen bestimmten Stil am Leben zu erhalten, schließlich an der übermächtigen Meßlatte ihrer Vorbilder emporschauen müssen...?
Wenn man sich die neue Live -CD vom Klaus Gesing/Glauco Venier Duo anhört, merkt man recht bald, warum diese beiden Ausnahmemusiker offensichtlich keinen Anlaß haben, Vergleiche dieser Art zu fürchten: Sie machen in ihrem musikalischen Kontext keinen Sinn.
Hier wird im wahrsten Sinne des Wortes Musik gespielt - Lieder verändert, getrennt- miteinander verbunden, Themen variiert, entstellt oder ganz wörtlich rezitiert.
Es werden Übergänge kreiert, neue Akkordfolgen, Arrangements werden erfunden und wieder verworfen, Rhythmen verdreht, verschnellt, verlangsamt...
Klaus Gesing und Glauco Venier spielen mit hohem Risiko:
Sie gehen auf die Bühne, ohne eine Reihenfolge der Stücke ausgemacht zu haben und überraschen so nicht nur das Publikum, sondern auch sich selbst.
Es entstehen auf diese Weise musikalische Bögen unterschiedlicher Spannweite, oft über mehrere Kompositionen hinweg, denen große Eindringlichkeit und Intimität gemeinsam sind.
Der Lohn dieser risikofreudigen Weise ein Konzert zu strukturieren, liegt uns in Form ihrer neuen CD „...play Songs“ vor:
Sie ist eine Verneigung vor der Geschichte des Jazz, indem Sie auf sein ureigenstes Repertoire zurückgreift - Sie stellt aber auch eine Rückkehr zu den Urgründen der Improvisation und damit eine teilweise Abkehr von der gängigen Musizierpraxis dar:
Mit gleichsam kindlicher Naivität und der ihr innewohnenden Ernsthaftigkeit lassen Sie jegliche Grenzen und Stilvorlagen außer Acht und schaffen so den nötigen Raum, sich ganz auf den musikalischen Moment und die Kraft seiner Vergänglichkeit zu konzentrieren...