Manfred Paul Weinberger Nonet

970 #122
9005216009701
In den Korb
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In Presence of Kenny Wheeler

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Line-up
Manfred Paul Weinberger – Trumpet, flugelhorn
Christian Maurer – Soprano saxophone, clarinet
Andreas Lachberger – Tenor saxophone
Jürgen Haider – Baritone saxophone, bass clarinet
Peter Nickel – Trombone
Kurt Erlmoser – Electric guitar
Helmar Hill – Piano
Christian Wendt – Double bass
Ewald Zach – Drums

Mein erstes Klangerleben mit Musik von Kenny Wheeler war die CD „Flutter By, Butterfly“ aus dem Jahr 1988. Sein Werk erschloss mir eine Klangästhetik von Gegenwartsmusik, die mich bis
heute begleitet. In Wheelers einzigartiger Spielweise in Phrasierung, Formgebung von Melodie, der
Farbgebung in seinem Ton sowie seiner Interaktion im musikalischen Flow zeigt sich eine künstlerische Tiefe, die mich stark anspricht. Alles zuzulassen, was sich aus dem Zusammenspiel entwickelt, Chancen abzuwarten und damit auch Risiken einzugehen, zeichnen sein improvisiertes Spiel aus. Kenny Wheeler schöpft aus einem stilistisch kaum abgrenzbaren Erfahrungsschatz. Nach Kornett und klassischem Tonsatzstudium wirkte der junge Kanadier ab dem 22. Lebensjahr in London in unterschiedlichsten Feldern. Er war in Swing-Tanzbands, Freejazz- und Jazzrockformationen aktiv, jobbte in Studios und als Sideman, spielte für die Produktion von Werbejingles und war an interkulturellen Projekten zwischen kammermusikalischen Formationen und großformatigen Orchestern beteiligt. Er veröffentlichte dreißig CD Produktionen in unterschiedlichsten Besetzungen unter eigenem Namen mit seinen Werken. Dave Holland, Joni Mitchell, Philly Joe Jones, Bill Frisell, Michael Gibbs, Steve Coleman, Anthony Braxton, Rabih Abou-Kalil, Norma Winston, um nur einige zu nennen, holten Kenny Wheeler zu sich als Solist. In diesem Kontext reifte seine spezifische Tonsprache, die heute jenseits von etablierten Begriffen der Ästhetik bzw. Stilistik als eigene Kategorie wahrgenommen wird - als Komponist und Solist gleichermaßen.

Zur ersten persönlichen Begegnung mit Kenny Wheeler kam es 1997 im „Banff Centre For The Arts“. Er war Teil der Fakultät des Sommerworkshops `97 in den kanadischen Rocky Mountains, an dem ich als Stipendiat teilnahm. Sein Eröffnungsstatement war kurz, aber charakteristisch für seine Bescheidenheit und seine augenzwinkernde Selbstironie: „Usually I don´t say so much, but if I do, I don´t say so much“. Und tatsächlich war er kein Mensch vieler Worte sondern eincharismatischer Ästhet seiner Klangwelt. In der Titelgebung mancher seiner Kompositionen zeigt sich jedoch sein ausgeprägt lustvoller Umgang mit Wortspielen wie „The Widow in the Window“,

„Double, Double You“ oder das schon erwähnte „Flutter By, Butterfly“. Als Trompeter im Upper Austrian Jazz Orchestra durfte ich von 1998 bis 2006 einige Konzerte in Europa mit ihm spielen. Die Zeiten vor und nach den Konzerten, gemeinsame Proben, lange Busreisen und gemeinsame Mahlzeiten brachten uns Musiker*Innen seine faszinierende und unvergessliche Persönlichkeit näher. Diese Zeit ermöglichte mir sehr wertvolle Momente und Einblicke in die Klangwelt eines großartigen Künstlers der Gegenwartsmusik mit unverkennbarer Charakteristik. Kenny Wheeler ist am 18. September 2014 in London verstorben. Sein Lebenswerk als Komponist, Bandleader, Solist und Sideman legte für Künstler*Innen nachfolgender Generationen eine vielschichtige Inspirationsquelle frei. Künstlerpersönlichkeiten, zu deren Werk man eine Nähe empfindet, sind wichtige Begleiter in der eigenen Entwicklung. Ein Bewusstsein dafür zu entwickeln, welchen Prinzipien man in der Musik faszinierender Vorbilder in der eigenen Arbeit nachspürt, scheint mir von Bedeutung zu sein, um in der künstlerischen Handlung bei sich selbst zu bleiben.

 

Die Lehren aus Kenny Wheelers Wirken bedeuten mir unter anderem, offen zu sein für Neues, Räume für Atmosphäre zu erschließen, inne haltend sinnstiftende Momente abzuwarten, mit Interesse an fremden Einflüssen nachzuspüren und nicht zuletzt bereit dafür zu sein, mit einer Idee auch einmal scheitern zu können. So betrachtet sind die Kompositionen dieser Produktion ein spannendes, lustvoll begangenes Wagnis. Dieses Nonett ermöglicht Klangmalerei im großen Spannungsbogen von feinen kammermusikalischen Dialogen bis zum energisch orchestralen Sound.

Es freut mich besonders, mit diesem Projekt geschätzte Kollegen aus dem Upper Austrian Jazz Orchestra im Nonett zu vereinen, mit denen ich gemeinsame Erfahrungen und dabei gewonnenes Vertrauen teile. Das Upper Austrian Jazz Orchestra pflegte eine intensive künstlerische Zusammenarbeit mit Kenny Wheeler, wodurch sich zum Teil eine ganz besondere Verbundenheit mit ihm ergibt. Die intensive Auseinandersetzung mit den Kompositionen im Vorbereitungsprozess auf die Aufnahmesession ist ein großartiger Input meiner Kollegen Christian, Andreas, Jürgen, Peter, Kurt, Helmar, Christian und Ewald. In einer Zeit, in der sämtliche Bühnen über viele Monate ihren Betrieb einstellen müssen und in der die inspirierende Wechselwirkung zwischen Ensembles und Publikum durch die Pandemie verunmöglicht ist, machen sie es möglich, diese neun Kompositionen in lebendige Geschichten zu verwandeln.

Linernotes:
This must be your Magnum Opus - In any jazz context, proverbial mention of a Nonet would assume such a line up as assembled here, and with the song title listing of nine pieces, maybe even a prediction of whats to be expected - but, no, not here! From an orchestrational and instrumental point of view, these nine pieces - go through the gamut of solo, 2 part, 3 part etc to 9 part full ensemble, and also through an astonishingly inventive array of single to multi layered contrapuntal layers. I find the harmonic material very refreshing - new to my ears, and so presume that’s the reason the players soloing is so refreshing too. After a few listenings - I was suddenly aware of the lack of the usual suspects (cliches) -though wouldn’t have minded the odd one here or there - am friendly to a few, now and then. The ensemble playing is superb - crisp, and precise - especially on the more crunchy harmonic areas. The solos for individuals are always engaging and seemingly belong intrinsically to the structural format of the composition - thus enhancing the feeling of a collaborative conversation among the players. Overall, the listeners experience goes through a wide berth of emotions - My experience has been highly delightful, instructional - Kenny will love it too!

Michael Gibbs
April 2021